Last Updated on 17. Oktober 2019 by Sylvia Nickel
Microsoft setzt in seiner neuen Deutschlandzentrale auf »Smart Workspace«, Arbeitsplätze mit Wohlfühlfaktor, berichtet das t3n-Magazin. Dies klingt erst einmal nicht revolutionär. Doch der Untertitel »1 100 Arbeitsplätze für 1 900 Mitarbeiter, nicht mal die Chefin hat ihren eigenen Schreibtisch« stieß auf den Kommentar »noch so ein Witz« auf meinem Profil im sozialen Netzwerk, in welchem der Artikel verlinkt ist. Dieser Gedanke scheint Unwohlsein auszulösen. — Warum?
Büro 4.0, New Work oder Smart Worskspace — die Digitalisierung ermöglicht eine weitgehende Entflechtung von traditionellen Arbeitsorten, vor allem dem Büro. Diese neue Freiheit will jedoch auch kulturell gelebt werden. Doch zurück zum unternehmerischen Kalkül.
Die Kostenseite
Ein Vollzeitarbeitsplatz im klassischen Büro nimmt rund zwölf Quadratmeter inklusive Nebenflächen in Anspruch. Dieser wird bei 100% Anwesenheit rund 220 Tage genutzt. Das ist eine Auslastung von zwanzig Prozent (1 760 Arbeitsstunden/8 760 Gesamtstunden jährlich), längere Abwesenheiten durch Außentermine und Meetings, Kindererziehungszeiten, Sabattical, Krankheit und Weiterbildung nicht berücksichtigt.
Inklusive Nebenkosten wird das Vorhalten dieses Arbeitsplatzes ohne Kosten von Mobiliar und Technik rund 2.500 €, in gehobenen Lagen entsprechend mehr. Dies sind jedoch nicht alle Kosten. Viele Arbeitgeber bieten ein Job-Ticket an oder stellen Parkplätze bereit. Hinzu kommen Incentives, von der Saftbar bis zum Meetingkeks — unter Coworkern auch die namens gebenden Jelly Beans —, der Betriebskantine und dem Ruhe- oder Fitnessraum. Dies alles wird mit dem Smart Workspace nicht abgeschafft, sondern anders genutzt: flexibel, bei Bedarf und damit abgekoppelt vom Habitat des eigenen Schreibtischs samt Familienfoto und Blumentopf. Was bringt diese Flexibilisierung? Können wir von der Trennung unserer Welten (Life-/Work-Balance) zu einem fließenden Übergang (Life-work-flow oder Work-life-flow) gelangen?
Die Ertragsseite
Die Ertragsseite des Büro 4.0 wartet mit vielerlei Vorzügen auf: flexibleres Arbeiten — auch im Homeoffice — ermöglicht familiengerechter zu arbeiten. Eine situative, projektgebundene Zusammensetzung von Mitarbeitergruppen beugt überdies Mobbing und der berühmten Gerüchteküche vor. Ein Rollenwechsel in der Organisation ist nicht mehr mit dem Einzug in dieses oder jenes Büro verbunden; dies stellt die HR vor neue Herausforderungen, was Anreize [Incentives] angeht. Vor allem aber kann ein Tisch, der nicht der »eigene« ist mit Papierburgen belegt werden. Disziplin wird zu einer weiteren Herausforderung, sozusagen auf dem Next Level. Der wesentliche Vorteil liegt jedoch in der Zeit:
Die gewonnene Zeit kann sinnstiftend genutzt werden und ist damit ein Motivator. Dies wiederum erhöht die Produktivität. Ganz nebenbei reduzieren sich Meetingzeiten, denn die Erfahrung zeigt, dass Telefonkonferenzen oder Webmeetings in kürzerer Zeit durchgeführt werden als reale Meetings vor Ort. Das Büro wird zum Meetingplace, zum Think Tank, zur Austauschstätte — wirklich?
Smart Workspace: Abschied vom traditionellen Büro?
All diese Vorzüge werden dann realisiert, wenn die Kultur des Smart Workspace stimmt. Denn, wer hoch konzentrierte Arbeiten dank WG-Flair von nun ab auf den Homeoffice-Tag schiebt und dort ebenso wenig Ruhe findet, hat nichts gewonnen. Mit Smart Workspace und New Work sind weitere Fähigkeiten notwendig wie Selbstmotivation, -organisation und vor allem Vertrauen in die gute Absicht aller Beteiligten. Neben vielfältiger sozialer und Selbstkompetenz gehört aber vor allem die Kunst des Lassens für alle Beteiligten dazu:
- zulassen eigener Arbeitsrhythmen,
- loslassen vom Standesdünkel des eigenen Schreibtischs und
- weglassen der Anwesenheits- und Beschäftigungskontrolle.
Weniger Reisen ist Mehrwert
Ich freue mich darüber, dass die Digitalisierung schrittweise den ökologischen Irrsinn abschafft, den wir seit Jahrzehnten betreiben: gerade einmal fünf Prozent der Erwerbstätigen arbeiten nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes im eigenen Haus oder in der Wohnung, der Rest pendelt — im Durchschnitt 30 Kilometer täglich, meist allein im eigenen Auto. Bei 45 Millionen Erwerbstätigen ließen sich doch glatt 1,28 Millionen gefahrene Kilometer samt Luftverpestung einsparen, und das an 220 Tagen im Jahr.
Seit 25 Jahren erprobt
Es waren übrigens US-Unternehmen, die mit Aufkommen des Internet schon in den 1990er begonnen, teure und repräsentative innerstädtische Büroflächen abzubauen sowie Arbeitszeit und -ort zu flexibilisieren; nach einem Vierteljahrhundert sollte auch Deutschland reif für diese Konzepte sein, ob es die Organisationskulturen sind, steht auf einem anderen Blatt.
Videolektionen zum Büro 4.1
Dieses Thema ist Teil der Webinarserie & Videolektionen »Büro 4.1«. Weitere Webinare von mir findest du übrigens auf edudip und sofengo.
Die Literatur, Vorträge und Videos habe ich → hier für dich zusammengestellt.
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