Last Updated on 13. April 2019 by Sylvia Nickel
Vor rund 15 Jahren saß ich als freiberuflicher Trainer in einem Büro eines namhaften, sehr großen deutschen Unternehmens. Die gerade dem Bachelor entsprungene Mitarbeiterin fragte mich im Vorgespräch zum eigentlichen Termin nach meinen Weiterbildungsqualifikationen. »Vier Monographien binnen fünf Jahren und zahlreiche Fachbeiträge« antwortete ich wahrheitsgemäß und stieß auf einen fragenden Blick. In diesem Moment wurde mir klar, dass »Weiterbildung« für Personaler des letzten Jahrhunderts eine Ansammlung an Zertifikaten bedeutet, für mich jedoch Vertiefung eines Themas oder erst einmal generell die Auseinandersetzung damit, weniger das Sammeln von Papier. Was ist Weiterbildung im digitalen Zeitalter? Darum geht es in diesem Artikel.
Für wen lernst Du?
Bevor Du Dich nach Weiterbildung umschaust kläre diese Frage: suchst Du Weiterbildung für eine Zertifikatesammlung im Lebenslauf oder zur Erweiterung Deiner Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse, gar zur Vertiefung Deiner Interessen? Dies mag ein Kriterium sein, die geeignete Weiterbildung zu finden. Die formalisierte Weiterbildung führt zu anerkannten und zumeist auf der Basis von Verordnungen oder fest stehenden Curricula durchgeführten Veranstaltungen. Manche so genannte Aufstiegsqualifikationen können überdies finanziell gefördert werden, über die Bildungsprämie, BAföG, den Bildungsscheck oder ein Bildungsstipendium, beispielsweise Fachwirt- und Meisterprüfungsvorbereitungslehrgänge. Doch das ist nur eine Seite der Weiterbildung, die formalisierte.
[Nachtrag am 06.12.2017] Mindestens 17 Stunden pro Jahr soll der Deutschte Arbeitnehmer sich der formalen Weiterbildung laut einer Studie (Institut der deutschen Wirtschaft Köln, IWWB) widmen; die Investition der Arbeitgeber beläuft sich insgesamt auf rund 1.067 € oder 62,77 €/Stunde. Wie viele sind es bei Dir?
Wissen kann auch auf anderem Weg erworben werden, bei Vorträgen, ob online oder vor Ort, auf Kongressen, Barcamps, in Workshops und sogar bei einem Walk & Talk. Neben einer Vielzahl an klassischen Seminaren und Kursen nimmt diese »Grauzone« der informellen Weiterbildung zu. Grauzone deshalb, weil hier nicht das Zertifikat im Mittelpunkt steht oder ein starrer Rahmenlehrplan im klassischen Frontalunterricht oder Kurssystem, sondern häufig auch Erfahrungsaustausch, Netzwerken sowie Info- und Edutainment. Lernen passiert, mit Freude, gehirngerecht, durch haptische Eindrücke und für das Lernen ungewöhnlichen Orten.
[Nachtrag am 06.12.2017] In Sachen »E-Learning« hat die Stiftung Warentest einen Leitfaden »Digitale Lernangebote kennen und nutzen« herausgebracht, der auch das Lernen über Blogs und Wikis und damit die »Grauzone« erfasst: Download hier.
Agile Learning
Voneinander und situationsbezogen lernen; das steht hinter »agile learning«. Einen Serienbrief mit Word schreiben, aber leider keine Ahnung wie es geht? — Einfach die Word-Hilfe, youtube oder einen Mitarbeiter befragt. Markus Sassenrath definiert in seinem Buch New Management agile learning so:
»Weg von der Beschränkung auf institutionalisierte Aus- und Weiterbildungen, hin zu einem Verständnis, ständig Lernender und Lehrender zu sein.«
Das funktioniert hervorragend bei Software oder anderen »Werkzeug«-Anwendungen. Ein vollkommen neues Fachgebiet lässt sich auf diese Weise wohl weniger erschließen. Dafür gibt es dann auch Kurse, Jahresprogramme usw.
Folge Deinen Interessen
Es gibt keine »falsche« Weiterbildung, es sei dann man wählte »keine« 🙂
Wenn Dich nicht der »Nachweis« drückt, den Du für einen bestimmten Entwicklungspfad benötigst, dann folge einfach Deinen Interessen; auch wenn Dir der berühmte »rote Faden« erst einmal nicht klar ist. Karrierepfade sind nicht mehr linear und die Arbeitswelt ist gerade in Zeiten der Digitalisierung dynamisch. Wer sich »privat« für die Gestaltung von Blogs oder Websites interessiert hat, wird vielleicht mit seinen Fachkompetenzen gepaart irgendwann einen Blog oder Social Media betreuen oder einfach eine Super-Idee für die kommunikative Vernetzung der Kolleginnen und Kollegen haben, etwa die Whatsapp-Gruppe für Übergabefragen zwischen Diensten. Der Kommunikationskurs kommt schon beim nächsten geschäftlichen Gespräch zum Tragen und selbst dem Workshop »ich bau mir meine Blockhütte« lassen sich interessante Erkenntnisse für die Gestaltung des Büroarbeitsplatzes abgewinnen.
3 Tipps für Deine Weiterbildung
Tipp #1: Master-CV
Halte alle Formen des Wissenswerwerbs in einer Datei fest. Dabei spielt die Beweisbarkeit in der Form einer Teilnahmebescheinigung zunächst keine Rolle. Stelle später und bei Bedarf einzelne Aktivitäten in Deinem Lebenslauf heraus, beispielsweise wenn es um Vertrieb oder Kommunikation geht. Liste aber keinesfalls alle auf. Das führt schnell zum Eindruck der »Überqualifizierung« bei den Entscheidern, vor allem wenn die Kenntnisse breit gestreut sind.
Tipp #2: Erkenne Deinen Schweinhund
Zwar lässt sich Weiterbildung sehr gut auch als E-Mail-Kurs, Fern-Lehrgang oder in einem virtual Classroom bewältigen, doch die Abbruchquoten sind mit dieser Methodik regelmäßig höher als mit konventionellen Kursen, zumindest auf die formale Weiterbildung, die Aufstiegsqualifikation bezogen. Es fehlt der Kursverband, die Kommunikation untereinander und manchmal bieten die Systeme zu viel Flexibilität. Manch einer benötigt auch einen gewissen Termindruck.
Finde heraus, welche Form für Dich richtig ist und Dich anspornt, weiter zu machen. Ein paar Fragen dazu:
- Lesen, hören oder sehen?
- Machen oder beobachten?
- Diskutieren oder reflektieren?
- Täglich, wöchentlich oder kompakt in einigen Tagen?
- Zu Hause oder an einem (schönen) Ort?
- Unterwegs oder am Schreibtisch?
- Gemeinsam oder alleine?
Viele neuere Formen vereinen verschiedene Methoden: Selbststudium, Übungen, Erfolgsteams und Workshops. Teste es. Es gibt viele kostenfreie Schnupperkurse, die Dir einen Einblick geben, ob Methodik, Plattform und Weiterbildner Dich ansprechen.
Tipp #3: Finde den Weiterbildner, der zu Dir passt
Unabhängig von der angestrebten Qualifikation und etwaiger Auszeichnungen oder Zertifikate des Anbieters ist der »Draht« zu den Lehrenden wichtig. Was nützt ein Zertifkatslehrgang am renommierten Institut, wenn der Dozent eine für Dich einfach grottenlangweilige Powerpointschlacht ohne Austausch- und Erfahrungszeit veranstaltet? Ebenso wenig nutzt der Kurs, bei dem Du den Eindruck hast, dass der Trainer einen knappen Zeitvorsprung im Fachwissen von einem Tag zu Dir hat oder andere im Kurs über böhmischer Dörfer diskutieren.
Wer bei Dir in Sachen Lernen nicht »punktet« muss nicht unbedingt fehl am Platz sein. Es gibt verschiedene Lerntypen; gepaart mit den unterschiedlichen Lernformen ist für jeden die optimale Kombination dabei.
Weiter mit Bildung in der »Karriere nach Maß«
Dieses Thema war Gegenstand des Webinars »Karriere nach Maß | Mentoring«. Bist Du beim nächsten vierten Mittwoch im Monat um 20 Uhr dabei? → Hier geht es zur Anmeldung.
– Du interessierst dich, selbst als Dozent in der Aufstiegsfortbildung tätig zu werden oder bist dies schon? Ich empfehle Dir das Webinar bzw. die Videolektion »Erfolgreich als Dozent in der Aufstiegsfortbildung«. Profitiere von meinen Tipps, sich eine profitable Nische zu formen.
Weitere Webinare von mir findest Du übrigens auf edudip und sofengo. Die Literatur, Vorträge und Videos habe ich ► hier für Dich zusammengestellt.
Eine entspannte Weiterbildungszeit,
Sylvia Nickel
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